Spezifische Phobie

Merkmale

Das wichtigste Merkmal der spezifischen Phobie ist, dass der Gegenstand oder die Situation, die Angst auslöst, sehr klar benannt werden kann, wie z.B. die Angst vor Spinnen, Gewitter, Spritzen, mit dem Aufzug fahren oder Fliegen. Der Betroffene verbindet negative Folgen mit einem derartigen spezifischen Objekt oder Umstand. So hat er z.B. Angst vor Hunden, weil er fürchtet, der Hund könne ihn beißen. Es ist aber auch möglich, dass sich Personen mit einer spezifischen Phobie vor ihrer eigenen Reaktion fürchten, sobald sie mit dem Gegenstand oder der Situation konfrontiert werden, der ihnen Angst bereitet. Beispielsweise hat jemand Angst vor Spritzen, weil er glaubt, in Ohnmacht zu fallen, sobald er eine Spritze sieht. Infolge dessen versuchen Betroffene den Gegenstand oder die Situation weitgehend zu vermeiden.

Von einer psychischen Störung spricht man bei einer spezifischen Phobie erst, wenn die Angst den Betroffenen stark belastet und die Vermeidungsstrategien ihn in seinem Alltag, in seinem Beruf oder in seinem Sozialleben deutlich einschränken. So kann z.B. der Manager wichtige Geschäfte nicht abschließen, weil er sich vor Flugreisen fürchtet; die Hausfrau braucht Stunden im Supermarkt, weil sie einen großen Bogen um die Hauptstraße macht; die Studentin hat kaum Freundschaften am neuen Studienort geschlossen, weil sie die Seminare in den engen Uni-Räumen nicht besucht etc. Manchmal zwingen sich betroffene Personen, die Konfrontation mit dem gefürchteten Objekt oder der gefürchteten Situation durchzustehen, was ihnen meist nur unter großer Angst gelingt. Die Konfrontation mit dem Objekt oder der Situation ruft in der Regel eine unmittelbare Angstreaktion hervor, die normalerweise schwächer wird, wenn sich das Objekt wieder entfernt beziehungsweise, wenn die Situation vorübergeht. Es kann allerdings auch sein, dass der Angstzustand bei einer spezifischen Phobie bereits dann eintritt, wenn der Betroffene erwartet, dass er demnächst mit dem Gegenstand oder der Situation konfrontiert wird, also beim reinen Gedanken daran. Darüber hinaus nimmt die Angst in der Regel zu, wenn die Fluchtmöglichkeiten begrenzt sind, wenn also zum Beispiel das Flugzeug abhebt und der Passagier mit Flugangst sicher nicht mehr aussteigen kann. Die Angst kann sich in solchen Extremsituationen bis hin zu einer Panikattacke steigern.

Generell ist es sehr schwer vorherzusagen, wie stark oder schwach der Angstzustand bei einer spezifischen Phobie sein wird. Auch der Betroffene kann das häufig kaum abschätzen. Allerdings ist ihm klar, dass seine Reaktion übertrieben und irrational ist. Er ist sich bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit dass etwas passiert (er z.B. vom Blitz getroffen wird), minimal ist. Schätzt der Betroffene seine Angst als begründet ein, so besteht auch keine spezifische Phobie. Für Kinder trifft das übrigens nicht zu. Da sie ihr Verhalten noch wenig reflektieren, können Kinder durchaus eine spezifische Phobie aufweisen, ohne zu hinterfragen, ob ihre Angst übertrieben ist. Im Kindesalter treten Phobien, vor allem vor Tieren, recht häufig auf und dauern oft nur phasenweise. Erst wenn sich die Angst vor einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Situation länger als ein halbes Jahr hält, ist der Verdacht auf eine spezifische Phobie bei Personen unter 18 Jahren angebracht.

Häufig tritt eine spezifische Phobie zusammen mit einer anderen Angststörungen, affektiven Störungen oder Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen auf. Die Beeinträchtigung durch eine spezifische Phobie ist meist nicht so groß wie durch andere komorbide Störungen, weshalb Betroffene meist aufgrund einer anderen gleichzeitig bestehenden psychischen Störung eine Behandlung beginnen.

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Verlauf

Eine spezifische Phobie vor Tieren, Umweltphänomenen, bestimmten Situationen wie dem Fliegen oder medizinischen Geräten und Vorgängen beginnt typischerweise in der Kindheit. Im Kindesalter ist die Angst normalerweise am stärksten ausgeprägt und steigert sich später zu einem zweiten Höhepunkt, meistens wenn der Betroffene um die 25 Jahre alt ist. Eine spezifische Phobie kann unter anderem durch ständige Ermahnungen ausgelöst werden. Eine Person, die unter Höhenangst leidet, ist vielleicht in ihrer Kindheit laufend von den Eltern gewarnt worden, dass sie sich den Fuß brechen werde, wenn sie irgendwo hinauf klettere.

Traumatische Erlebnisse, die einem selbst wiederfahren oder die man bei anderen beobachtet, können ebenfalls zu einer spezifische Phobie führen. Außerdem kann eine unerwartete Panikattacke der Auslöser für eine spezifische Phobie sein. Hat man plötzlich in einem engen Raum Panik bekommen, so kann es sein, dass man sich fortan vor engen Räumen fürchtet. Ein traumatisches Erlebnis oder eine plötzliche Panikattacke können eine spezifische Phobie in jedem Alter auslösen. Ängste vor besonderen Gegenständen oder Situationen, die man als Jugendlicher entwickelt beziehungsweise immer noch hat, bestehen wahrscheinlich im Erwachsenenalter fort.

Zahlen

Generell sind Phobien keine Seltenheit. Viele Menschen haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie zum Beispiel auf einer hohen Leiter stehen, im Flugzeug sitzen oder ein Hund auf sie zugerannt kommt. Eine spezifische Phobie allerdings liegt erst dann vor, wenn die Lebensumstände des Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden und er unter seiner Angst stark leidet. Das trifft auf etwa 7% bis 11% der deutschen Bevölkerung zu. Wissenschaftler gehen davon aus, dass etwa doppelt so viele Frauen wie Männer an einer spezifischen Phobie leiden. Zwischen 75% und 90% der Personen, die vor Tieren, Umweltphänomenen oder bestimmten Situationen wie dem Fliegen Angst haben, sind weiblich. Betroffene, die sich vor Spritzen, Blut, etc. fürchten sind zu 55% bis 70% Frauen.

Subtypen

Man unterscheidet fünf Typen spezifischer Phobien:

  1. Die Angst vor Tieren, z.B. Spinnen, Hunden, Katzen etc.
  2. Die Angst vor Umweltphänomenen, z.B. Gewitter, Hochwasser etc.
  3. Die Angst vor medizinischen Vorgängen und Gegenständen, z.B. Spritzen, Blut, Wurzelbehandlung etc.
  4. Die Angst vor einer bestimmten Situation, z.B. mit dem Flugzeug fliegen, sich in einem engen Raum aufhalten, auf einer Brücke stehen, Fahrstuhl fahren etc.
  5. Die Angst vor einem anderen Gegenstand oder einer anderen Situation, die nicht von 1 bis 4 abgedeckt sind, z.B. Angst vor Clowns, Angst vor lauten Geräuschen etc.

Therapie

Bei der Behandlung der spezifischen Phobie werden bevorzugt verhaltenstherapeutische Methoden eingesetzt. Angewandt werden die Expositions- bzw. Konfrontationstherapie und kognitive Verfahren.

Bei der Expositions- bzw. Konfrontationstherapie wird der Patient gezielt dem angstauslösenden Objekt oder der angstauslösenden Situation ausgesetzt. Diese Art der Therapie kann schrittweise (also ein langsames Herantasten an Situationen, in denen die Angst besonders groß ist) oder durch eine plötzliche und vollkommene Konfrontation (also eine Reizüberflutung durch eine besonders angstbesetzte Situation) erfolgen. Ziel dieser Vorgehensweise ist die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Angst und den entsprechenden Gedanken der spezifischen Phobie und folglich die Erkenntnis, dass in den angstbesetzten Situationen keine ernsthafte Bedrohung besteht. Wichtig ist es, dass das Vermeidungsverhalten des Patienten konsequent unterbunden und er während der Konfrontation nicht abgelenkt wird (z.B. durch Musik hören).

Mit den kognitiven Verfahren versucht der Therapeut die eingefahrenen Gedankenmuster der spezifischen Phobie des Patienten zu korrigieren. Dem Patienten wird verständlich gemacht, welche Gedanken dazu beitragen, dass die Angst entsteht, aufrechterhalten bleibt und sich weiter verstärkt. Die Therapie kann als Einzel- oder Gruppentherapie stattfinden.

In Kombination mit verhaltenstherapeutischen Methoden werden häufig Entspannungsverfahren bei der spezifischen Phobie angewendet, da der Zustand der Entspannung Angstgefühle ausschließt. Die bekanntesten Verfahren sind die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, das Autogene Training, sowie Biofeedback.

In einer tiefenpsychologisch orientierten Therapie versucht der Therapeut gemeinsam mit dem Patienten herauszufinden, welcher unbewusste Konflikt der Angstsymptomatik zugrunde liegt. Es kann jedoch auch bei den aufdeckenden Verfahren zunächst wichtig sein, die Angstbewältigungsmöglichkeiten des Patienten zu stärken, bevor die zugrundeliegenden Konflikte bearbeitet werden. Eine tiefenpsychologische Therapie dauert in der Regel länger als eine Verhaltenstherapie. Sie wird bis zu mehrere Jahre kontinuierlich angewandt.

Eine weitere erfolgversprechende Therapiemethode bei der spezifischen Phobie ist die Hypnosetherapie. Bei dieser Methode versucht der Therapeut herauszufinden, was die Ursache für das Auftreten der Angst war (z.B. ein traumatisches Ereignis in der Vergangenheit). Oftmals kann der Patient durch die Aufdeckung dieses unbewussten Zusammenhangs die Angst überwinden und sein Vermeidungsverhalten normalisieren.

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