Anhaltende Somatoforme Schmerzstörung

Merkmale

Das Hauptmerkmal von Anhaltende Somatoforme Schmerzstörung ist ein schwerer anhaltender Schmerz in irgendeinem Körperteil, der in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auftritt. Ein medizinischer Krankheitsfaktor kann den Schmerz nicht vollständig erklären. Der Schmerz ist so schwer und quälend, dass er erhebliches Leiden oder Beeinträchtigungen im familiären, sozialen oder beruflichen Bereich mit sich bringt. Der Betroffene täuscht die Beschwerden nicht vor oder erzeugt diese absichtlich, wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation. Ebenso können die Beschwerden nicht besser durch eine affektive, Angst- oder psychotische Störung erklärt werden.

Beeinträchtigungen

Betroffene haben häufig eine Vielzahl von Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen, so z.B. die Unfähigkeit in die Arbeit oder die Schule zu gehen, Beziehungsprobleme, einen eingeschränkten Lebensstil, Reduktion der körperlichen Belastbarkeit, Medikamentenmissbrauch und häufige Inanspruchnahme des Gesundheitswesens sowie beträchtliche persönliche Zuwendung und Betreuung. Der Schmerz wird zum Lebensinhalt des Betroffenen und stellt den Hauptfokus für seine Aufmerksamkeit dar. Geht der Schmerz mit einer schweren Depression einher oder mit einer unheilbaren Krankheit wie z.B. Krebs, scheint das Suizidrisiko erhöht zu sein.

Chronische Schmerzen hängen häufig mit depressiven Störungen zusammen, während akute Schmerzen (weniger als sechs Monate) häufig mit Angststörungen in Verbindung stehen, wobei diese Störungen der Schmerzstörung vorausgehen können, gleichzeitig bestehen können oder eine Folge der Schmerzstörung sein können. Darüber hinaus geht die Störung oftmals mit Schlafproblemen einher.

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Verlauf

Schmerzen sind ein Symptom das jeder in irgendeiner Form kennt und die meisten akuten Schmerzen vergehen nach relativ kurzer Zeit von selbst. Bezüglich des Beginns der Störung ist die Bandbreite sehr groß, d.h. die Störung kann in sehr jungen Jahren genauso wie im späteren Alter beginnen. Betroffene, die eine psychiatrische Behandlung in Anspruch nehmen, leiden meist schon mehrere Jahre an dem Schmerz. Es scheint die Prognose zu begünstigen, wenn Betroffene trotz der Schmerzen ihre Aktivitäten, wie z.B. ihre Arbeit, aufrechterhalten und die Beschwerden nicht zum zentralen Lebensinhalt werden lassen.

Zahlen

Die somatoforme Schmerzstörung kommt relativ häufig vor. In Deutschland geht man von einer Lebenszeitprävalenz von 12,5% aus. In medizinischen Einrichtungen (Allgemeinarztpraxen, Fachabteilungen, Schmerzambulanz) liegt der Prozentsatz an Patienten mit einer somatoformen Schmerzstörung weit höher, nämlich bei ca. 20-40%.

Somatoforme Störungen sind extrem weit verbreitet. In Deutschland erkranken ca. 80% im Laufe ihres Lebens an einer somatoformen Störung. 15% der Bevölkerung sind zum momentanen Zeitpunkt behandlungsbedürftig. Bei Patienten, die in ein Krankenhaus aufgenommen werden, sind ca. 30% von somatoformen Störungen betroffen. Nicht selten bleibt die Störung jedoch unerkannt und somit auch unbehandelt.

Subtypen Anhaltende Somatoforme Schmerzstörung

Man unterscheidet drei Subtypen der Schmerzstörung in Verbindung mit:

  • psychischen Faktoren (Psychische Faktoren spielen die wichtigste Rolle für Beginn, Schweregrad und Aufrechterhaltung der Schmerzen)
  • sowohl psychischen Faktoren wie einem medizinischen Krankheitsfaktor (sowohl psychische Faktoren als auch ein medizinischer Krankheitsfaktor spielen eine Rolle für Beginn, Schweregrad und Aufrechterhaltung der Schmerzen)
  • einem medizinischen Krankheitsfaktor (Die Schmerzen sind auf einen medizinischen Krankheitsfaktor zurückzuführen und es besteht kein enger Zusammenhang zu psychischen Faktoren. Dieser Subtypus wird somit nicht als psychische Störung klassifiziert)

Die Dauer der Schmerzen wird in akut (weniger als 6 Monate) und chronisch (6 Monate oder länger) unterschieden.

Therapie

Die Therapie der somatoformen Störungen, wie der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, erfordert ein multimodales Vorgehen, bei dem der Patient umfassend betreut wird. Es gibt z.B. spezialisierte psychosomatische Kliniken, die dem Patienten eine mehrwöchige stationäre Behandlung bieten bei der verschiedene Therapieansätze zum Einsatz kommen.

Grundsätzlich ist als erster Schritt der Behandlung eine umfassende Psychoedukation notwendig. Der Patient wird dabei über das Zusammenspiel von körperlichen und seelischen Faktoren und Prozessen aufgeklärt und lernt seine Symptome besser zu erkennen und einzuschätzen. In der Therapie wird gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Erklärungsmodell erarbeitet, das auch die psychischen Komponenten der Schmerzstörung betrachtet. Besonders wichtig ist es, dem Patienten zu vermitteln, dass „psychisch bedingt“ nicht bedeutet, dass sie „verrückt“ oder „geistesgestört“ sind (wie es diese Patientengruppe gerne ausdrückt).

Durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen soll der Patient einen besseren Umgang mit seinen Beschwerden lernen, negative kognitive Muster verändern, Vermeidungsverhalten (z.B. eingeschränkte Aktivität aufgrund von Schmerzen) reduzieren und seine Ressourcen stärken. In Kombination mit verhaltenstherapeutischen Methoden werden häufig Entspannungsverfahren verwendet. Die bekanntesten Verfahren sind die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, das autogene Training, sowie Biofeedback.

In einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie liegt der Schwerpunkt auf der Aufarbeitung von traumatisierenden Kindheitserfahrungen, Bindungsproblematiken und seelischen Konflikten, die zur Aufrechterhaltung der Schmerzstörung beitragen.

Diese psychotherapeutischen Methoden können mit physikalischer Therapie, Ergotherapie, Bewegungstherapie und Gesundheitsberatung/-training kombiniert werden, wobei das primäre Ziel der Therapie der verbesserte Umgang mit den Schmerzen und eine bessere Funktionsfähigkeit im familiären und beruflichen Bereich sowie eine Linderung der Beschwerden ist.

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