Merkmale
Das charakteristische Merkmal beim Abhängigkeitssyndrom ist ein starker Wunsch, eine Abhängigkeit oder eine Art Zwang psychotrope Substanzen zu sich zu nehmen – das sogenannte „craving“.
Ein weiteres Merkmal der körperlichen Abhängigkeit ist das Entzugssyndrom. Dabei treten nach Beendigung oder Reduzierung des Konsums je nach Art der Substanz und Dauer des Konsums verschiedene körperliche und psychische Symptome auf. Beim Alkoholentzug treten, ähnlich wie beim Entzug von Sedativa oder Hypnotika, vegetative Hyperaktivität (z.B. Schwitzen oder erhöhter Puls), Zittern der Hände, Schlaflosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen, psychomotorische Unruhe, Angst, Krampfanfälle sowie vorübergehende Halluzinationen oder Illusionen jeder Sinnesmodalität auf. Der Nikotinentzug ist durch depressive oder gereizte Stimmung, Ärger, Angst, Schlaflosigkeit, Konzentrationsprobleme und Ablenkbarkeit, das Gefühl von innerer Unruhe, verminderter Herzfrequenz sowie gesteigerten Appetit oder Gewichtszunahme gekennzeichnet. Bei einer Abhängigkeit von anderen Substanzen, wie z.B. Kokain oder Halluzinogenen, findet man weniger offensichtliche bzw. keine deutlichen Entzugssymptome.
Folgen
Als Folge wiederholten Substanzkonsums kann eine Toleranzenzwicklung entstehen, d.h. der Betroffene braucht immer höhere Dosierungen bzw. stärkere Substanzen, um die erwünschte Wirkung hervorzurufen bzw. erlebt er bei gleichbleibender Dosis nur noch einen deutlich geringeren Effekt. Bei einigen Substanzklassen (z.B. Opiaten und Stimulanzien) kann die Toleranzentwicklung so erheblich sein, dass die konsumierten Mengen ansonsten tödlich wären.
Neben der Toleranzentwicklung und dem Entzugssyndrom (die nicht hinreichend für eine Diagnose sind), treten eine Reihe weiterer psychischer und verhaltensbezogener Phänomene im Rahmen eines Abhängigkeitssyndroms auf. So kommt es häufig vor, dass der Betroffene die Kontrolle darüber verliert, wann er mit dem Konsum beginnt, wann er aufhört oder wie viel er konsumiert. Beispielsweise beginnt der Betroffene bereits morgens oder tagsüber zu trinken, verlässt regelmäßig als Letzter die Kneipe oder trinkt bis hin zu einer schweren Intoxikation, obwohl er sich vorgenommen hatte nur ein Glas zu trinken.
Des Weiteren vernachlässigen Betroffene meist immer mehr ihre Interessen, sowie familiäre, berufliche oder Freizeitaktivitäten oder geben diese zugunsten des Substanzkonsums ganz auf. Die Beschaffung, der Konsum selbst und die Erholung von den Folgen nehmen immer mehr Zeit in Anspruch. Der Konsum wird so zum Mittelpunkt des Lebens, um den alle Alltagsaktivitäten kreisen.
Betroffene scheitern daran den Substanzkonsum zu beenden, obwohl ihnen bewusst ist, dass der Konsum deutliche psychische oder körperliche Folgeprobleme, wie depressive Verstimmung, Organschäden, Hepatitis oder kognitive Beeinträchtigungen, mit sich bringt.
Ein Abhängigkeitssyndrom tritt häufig in Kombination mit Angststörungen, Depression, Anpassungsstörungen sowie Persönlichkeitsstörungen und Psychosen auf.
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Verlauf
Die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit wird häufig durch ein Phasenmodell beschrieben. Eine Abhängigkeit kann, muss sich aber nicht, analog zu diesen Phasen entwickeln.
In der ersten Phase kommt es zunächst zum ersten Kontakt mit dem Suchtmittel und zu immer häufigerem Konsum, um angenehme Gefühle oder Erleichterung herbeizuführen bzw. unangenehme Gefühle auszuschalten.
In der zweiten Phase kommt es zu einer Gewöhnung an den Konsum. Der Betroffenen erlebt Stimmungsschwankungen und versucht immer wieder abstinent zu bleiben. Gegenüber der Umwelt reagiert er ausweichend oder leugnet die Problematik. Erste körperliche Folgen sowie Gedächtnislücken stellen sich bereits ein. Das Konsumverhalten geht daraufhin oftmals in einen chronischen Verlauf über.
In der dritten Phase verliert der Betroffene die Kontrolle über seinen Konsum. Die typischen Merkmale der Abhängigkeit bestimmen das Leben und es treten deutliche körperliche Folgeschäden sowie soziale und psychische Beeinträchtigungen auf. Von einer Abhängigkeit spricht man erst in dieser dritten Phase.
Die vierte Phase ist gekennzeichnet durch tagelange Rauschzustände und morgendliche Entzugserscheinungen, die erst nach erneutem Konsum verschwinden. Es kommt zu Delirien, Alkoholpsychosen oder auch zu komatösen Zuständen. Ein Ausstieg erfordert meist eine therapeutische Behandlung, den festen Willen des Betroffenen und eine hohe Frustrationstoleranz, da der Ausstieg oft durch Rückschläge gekennzeichnet ist. Bleibt die Alkoholabhängigkeit bestehen, entwickeln sich schwere Organschäden (z.B. Leberzirrhose) und Hirnabbauprozesse, die zum Tod führen können.
Frauen sind meist älter, wenn Sie zu trinken beginnen, rutschen aber schneller in eine Abhängigkeit und auch die körperlichen Folgeschäden treten bei Frauen schneller auf als bei Männern.
Zahlen
Die Prävalenzraten beim Abhängigkeitssyndrom unterscheiden sich erheblich zwischen den verschiedenen Substanzklassen. In den Vereinigten Staaten und Europa leiden 10-20% der Männer und 5-10% der Frauen irgendwann in ihrem Leben an einer Alkoholabhängigkeit. Nach aktuellen Schätzungen gibt es zwischen 1,3 und 2,5 Millionen alkoholabhängige Menschen in Deutschland, davon 30% Frauen.
Die 12-Monats-Prävalenz des Konsums von Cannabis liegt bei ca. 5%, von Kokain bei 0,8% und von Amphetaminen bei 0,7%. Schätzungen zu substanzbezogenen Störungen liegen bei knapp über 1% für Cannabisabhängigkeit und guten 6% für Nikotinabhängigkeit.
Subtypen
Die Störungen durch psychotrope Substanzen (akute Intoxikation, schädlicher Gebrauch, Abhängigkeit, Entzugssyndrom, Entzugssyndrom mit Delir, psychotische Störung und amnestisches Syndrom) können sich auf verschiedene Substanzen bzw. Substanzklassen beziehen.
Dazu gehören Störungen durch:
- Alkohol
- Opioide (wie Codein, Heroin, Methadon, Morphin)
- Cannabinoide (Cannabis, Marihuana, Haschisch, Haschischöl)
- Sedativa oder Hypnotika (v.a. Benzodiazepine)
- Kokain
- andere Stimulanzien wie Amphetamin, Ecstasy, aber auch Koffein
- Halluzinogene wie LSD, Meskalin und Psilocybin
- Tabak
- flüchtige Lösungsmittel
- multiplen Substanzmissbrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen
Therapien Abhängigkeitssyndrom
Die Therapie einer Abhängigkeitserkrankung besteht meist aus einer Kombination von medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung.
Die Behandlung gliedert sich in die Kontakt- und Motivationsphase, die Entgiftungsphase (körperlicher Entzug), die Entwöhnungsbehandlung, die Nachsorge- und Rehabilitationsphase und die Rückfall-Vorbeugung.
In der Suchttherapie gibt es unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten, wobei sich besonders verhaltenstherapeutische Methoden bewährt haben. Mit kognitiven Verfahren sollen typische Gedanken, Gefühle und Verhalten bei einer Person mit einer Abhängigkeitsproblemen und Suchtverhalten identifiziert werden, die zu Rückfällen, Suchtverhalten und anderem unerwünschten Verhalten führen. Der Therapeut versucht dabei gemeinsam mit dem Patienten, neue Verhaltensweisen einzuüben, die dem Betroffenen dabei helfen, einen Rückfall zu vermeiden. Der Betroffene lernt so, mit dem starken Konsumdrang umzugehen. Neben der Verhaltensänderung stehen auch die zugrundeliegenden Emotionen im Fokus der Therapie, da Betroffene mit dem Substanzkonsum häufig unerwünschte Gefühle unterdrücken oder betäuben wollen (u.a. Frustrationen, Ärger, Überforderung, Minderwertigkeitsgefühle).
Neben der Verhaltenstherapie können tiefenpsychologische Psychotherapien, Gruppentherapien, Familientherapien oder Selbsthilfegruppen bei einem Abhängigkeitssyndrom zum Einsatz kommen. Die Therapie kann ambulant erfolgen oder in Kliniken, die sich auf Abhängigkeitserkrankungen spezialisiert haben. Dort gibt es spezielle multimodale Therapieprogramme. So kann z.B. erst in einer Klinik die Entgiftung (Detoxifikation) und körperliche Stabilisierung bei gleichzeitiger medikamentöser Behandlung erfolgen und dann eine Entwöhnungstherapie mit dem Ziel der langfristigen Problembewältigung und Stabilisierung eingeleitet werden.