Sexuelle Aversion

Merkmale

Personen, die unter dem Störungsbild der sexuellen Aversion leiden, zeigen eine wiederholt auftretende oder dauerhafte Abscheu gegenüber jeglichen Berührungen und/oder Penetrationen der Geschlechtsorgane durch einen Sexualpartner. Viele versuchen diesen Situationen gänzlich auszuweichen, indem sie Strategien anwenden, wie z.B. früher ins Bett zu gehen, das eigene Aussehen zu vernachlässigen oder sich im Beruf etc. übereifrig zu beteiligen. Kommt es doch zu einer sexuellen Begegnung mit einem Partner bzw. antizipiert die betroffene Person einen sexuellen Kontakt, dann kann sie von leicht bis extrem ängstlich, furchtsam und angeekelt reagieren.

Zusätzliche charakteristische Symptome einer Panikattacke sind dabei nicht selten. Die sexuelle Abneigung kann nur einen spezifischen Teil des Geschlechtsverkehrs betreffen (z.B. Samenerguss) oder sich gegen jegliche sexuell behafteten Kontakte richten (z.B. auch Küssen).

Damit von einer Störung mit sexueller Aversion gesprochen werden kann, müssen die Betroffenen deutlich unter den Symptomen der psychischen Störung leiden, da diese entweder dauerhaft oder wiederholt auftreten. Des Weiteren kann die sexuelle Aversion auch zwischenmenschliche Probleme, z.B. in der Paarbeziehung (Unzufriedenheit in der Ehe) mit sich bringen.

Bei Personen, die an einer sexuellen Funktionsstörung mit sexueller Aversion leiden, ist es möglich, dass sie zusätzlich an einer weiteren sexuellen Funktionsstörung (z.B. Dyspareunie) oder an einer anderen psychischen Störung (z.B. DepressionZwangsstörungPosttraumatische Belastungsstörung) erkranken.

Weitere Informationen über die verschiedenen psychischen Erkrankungen finden Sie im Bereich Wissen auf psycheplus.

Verlauf

psycheplus liegen derzeit keine fundierten Beschreibungen zum Störungsverlauf der sexuellen Aversion vor.

Zahlen

Die Befundlage zu den sexuellen Funktionsstörungen gestaltet sich als äußerst dürftig. Die Daten, die zur Prävalenz der einzelnen Störungen vorliegen, weisen enorme Unterschiede (Variabilität) auf, da sie entweder mit verschiedenen Verfahren erhoben wurden, verschiedene Definitionen der Störungen verwendeten oder Stichproben mit unterschiedlichen Merkmalen miteinbezogen. Auf Grund dessen liegen bis zum heutigen Zeitpunkt keine genaueren Daten zur sexuellen Aversion vor.

Subtypen

Bei allen sexuellen Funktionsstörungen wird hinsichtlich des Anfangspunktes der Störung, den Umständen, innerhalb derer die Störung vorkommt und den Ursachen für die Störung unterschieden.

Die sexuelle Aversion gilt als „lebenslang“, wenn die Störung mit der geschlechtlichen Reife begonnen hat. Die sexuelle Funktionsstörung wird als „erworben“ bezeichnet, wenn die Abneigung ihren Anfang nach einem Zeitraum normaler sexueller Betätigung genommen hat.

Die sexuelle Abneigung kann auch mehrere verschiedene Situationen, Partner oder Arten der sexuellen Erregung betreffen und damit als „generalisiert“ bezeichnet werden. Sie kann aber auch nur eine Situation, einen Partner oder eine Art der Stimulation betreffen und somit als „situativ“ gelten.

Die sexuelle Aversion kann sowohl durch psychische Faktoren alleine als auch durch psychische und körperliche Faktoren ausgelöst werden.

Therapie

Die unterschiedlichen Therapieverfahren versuchen auf Grund ihres unterschiedlichen Ursachenverständnisses, die sexuellen Funktionsstörungen auf unterschiedliche Weise zu behandeln.

In der Psychoanalyse geht man davon aus, dass die Personen mit einer sexuellen Funktionsstörung in ihrer Entwicklung bei einer der psychosexuellen Phasen (Sigmund Freud unterschied die anale, orale, latenz und genitale Phase) zurückgeblieben sind. So soll der Patient in der Beziehung zum Analytiker alle Phasen der Kindheit nochmals durchleben aber diesmal erfolgreich. Dadurch soll eine tiefreichende Umstrukturierung der Persönlichkeit erreicht werden.

In der Verhaltenstherapie kommen hauptsächlich Muskelentspannungsübungen und Methoden, wie die systematische Desensibilisierung zum Einsatz, um die vorherrschende Angst bei sexuellen Funktionsstörungen zu reduzieren.

Die wohl bekannteste Behandlungsmethode bei sexuellen Funktionsstörungen ist die von William Masters und Virginia Johnson (1970), welche auch unter der Bezeichnung „Sexualtherapie“ bekannt wurde. Das achtstufige Verfahren beinhaltet kognitiveverhaltenstherapeutische sowie auch kommunikative Techniken und setzt direkt beim sexuellen Problem an. Innerhalb von ca. 15 bis 20 Therapiestunden (Kurzzeittherapie) werden folgende standardmäßig angewandt:

  1. Diagnostik und Problemanalyse: Zuerst werden mögliche organische Probleme in einer medizinischen Untersuchung abgeklärt bzw. ausgeschlossen. Des Weiteren wird die bisherige sexuelle Erfahrung erfragt, um mögliche Ursachen und aufrechterhaltende Faktoren aufzudecken. Es kann dazu kommen, dass auch der Partner aktiv in die Therapie miteinbezogen wird.
  2. Beidseitige Verantwortlichkeit: Der Patient/die Patienten sollen zur Einsicht gelangen, dass immer beide Partner zum sexuellen Problem beitragen, egal bei wem die sexuelle Funktionsstörung auftritt. Somit ist es immer hilfreicher, wenn beide die Therapie in Angriff nehmen.
  3. Information über Sexualität: Mit Hilfe von Gesprächen, Büchern und Videos versucht der Therapeut schließlich dem Patienten das Wissen zu Anatomie und Physiologie der sexuellen Reaktionen näher zu bringen.
  4. Einstellungsänderung: In den nächsten Schritten sollen die Patienten ihre Einstellungen zur Sexualität, die augenscheinlich zur Hemmung der sexuellen Erregung und Lust beitragen, äußern. Der Therapeut versucht diese Einstellungen durch bestimmte Übungen zu verändern.
  5. Beseitigung von Leistungsangst und der Beobachterrolle: Vor allem bei Männern scheinen diese Faktoren eine Erregung zu erschweren und bestimmte sexuelle Funktionsstörungen aufrechtzuerhalten. Mit Hilfe von Techniken, wie „sensorische Fokussierung“ und „nicht forderndes Lustspenden“, sollen zunächst sexuelle Begegnungen auf Umarmungen, Küssen und Massagen des Körpers (ohne das Berühren von Brust oder Intimbereich) reduziert werden. Erst nach und nach werden weitere Handlungen erlaubt und somit die sexuelle Lust allmählich gesteigert.
  6. Verbesserung der sexuellen Kommunikationstechniken: Zudem übt der Therapeut mit den Patienten neue Strategien ein, wie Patienten auch während dem Geschlechtsakt miteinander kommunizieren können. Bei der sensorischen Fokussierung soll der Patient z.B. die Hand seines Partners führen. So kann er Geschwindigkeit, Druck und Ort der Liebkosungen und Streicheleinheiten bestimmen. Schließlich sollen verbale Hinweise immer positiv und informativ formuliert werden (sagen, was einem gefällt und dass es einem gefällt).
  7. Veränderung eines möglichen destruktiven Lebensstils und beeinträchtigender partnerschaftlicher Interaktionen: Natürlich werden in der Therapie auch die Lebensumstände des Patienten berücksichtigt und – wenn möglich – bearbeitet.
  8. Bearbeitung körperlicher und medizinischer Faktoren: Bereits zu Beginn der Therapie werden mögliche Faktoren, wie Krankheiten, Verletzungen, Medikamenteneinnahmen oder möglicher Substanzmissbrauch, die einen Einfluss auf die Ausbildung einer sexuellen Funktionsstörung haben können, abgeklärt und entsprechend damit umgegangen.

Bei der Behandlung der sexuellen Aversion wird eine Kombination verschiedener Techniken eingesetzt, da auch mehrere, psychologische Probleme als Ursache in Frage kommen können. Bei der gefühlsmäßigen Bewusstmachung, soll sich der Patient sexuelle Situationen vorstellen, damit er mit Hilfe des Therapeuten die negativen Gefühle aufdecken kann. Beim Selbstinsktruktionstraining lernt der Patient die negativen Gedanken durch Aussagen, die eine Bewältigung des Problems suggerieren, zu ersetzen. Außerdem soll der Patient neben der Therapie ein Lusttagebuch führen, in dem er vermerkt, wann und in welchen Situationen er sexuelle Lust verspürt. Außerdem sollen Bücher und Filme mit sexuellem Inhalt konsumiert werden, was den Patienten immer mehr an Sexualität gewöhnen soll und irgendwann als etwas Normales erscheinen lässt.

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